Positionspapier der Kreistagsfraktion zum IndustriePark Oberelbe

Projektbeschreibung IndustriePark Oberelbe

Der IndustriePark Oberelbe (IPO) soll auf einer Fläche von circa 140 Hektar innerhalb der Gemarkungen der Städte Dohna, Heidenau und Pirna entlang des Autobahnzubringers B 172a entstehen.

Die aktuellen Planungen gehen davon aus, dass mindestens 3.000 Arbeitsplätze in den Bereichen Mikroelektronik, Biotechnologie, Elektromobilität und Kunststoffverarbeitung entstehen könnten.

Ziel ist es, durch die Ansiedlung neuer Unternehmen das Gewerbesteueraufkommen zu erhöhen und durch die gut bezahlten Industriearbeitsplätze mehr Kaufkraft in der Region zu generieren.

Zur Realisierung des Vorhabens wurde 2018 durch die drei Städte der Zweckverband Industriepark Oberelbe gegründet. Der Vorsitzende des Zweckverbandes ist der Heidenauer Bürgermeister Jürgen Opitz (CDU). Mit der Durchführung des Geschäftsbetriebs des Zweckverbandes ist die Stadtentwicklungsgesellschaft Pirna betraut.

Ende 2020 beschloss der Dohnaer Stadtrat den Austritt der Stadt aus dem Zweckverband. Dieser wird Ende 2022 endgültig vollzogen.

Proteste gegen den IPO gibt es bereits seit bekannt werden der ersten Ideen in den Jahren 2014/15. Die Proteste werden getragen durch Anwohner:innen aus den umliegend Ortsteilen der drei Städte, durch Natur- und Umweltschutzverbände (NABU und BUND), einzelne Stadträte und Privatpersonen. Es gibt eine Bürgerinitiative, die sich fachlich fundiert mit den Planungen zum IPO auseinandersetzt. So sammelte die Bürgerinitiative im Sommer 2020 insgesamt mehr 1.300 Einwendungen gegen den Vorentwurf für den Rahmenbebauungsplan und übergab diese dem Pirnaer Oberbürgermeister Klaus Peter Hanke.

Allerdings gibt es auch bei den Protesten gegen den IPO von Seiten der Freien Sachsen und der Heidenauer Wellenlänge, einer Initiative aus dem Pegida-Umfeld, Versuche diese Proteste zu vereinnahmen.

Problembeschreibung

1. Flächenversiegelung/Geländebeschaffenheit

Von den geplanten 140 Hektar Fläche sollen ca. 80% überbaut werden. Die Fläche, die genutzt werden soll, ist aktuell zu einem großen Teil landwirtschaftliche Nutzfläche. Diese Flächen wiederum weisen nach Aussage von NABU und BUND eine hohe Bodenqualität auf. Außerdem soll für die Realisierung des IPO ein kleinere Fläche aus einem Landschaftsschutzgebiet ausgegliedert werden.

Die für den IPO vorgesehenen Flächen befinden sich nicht in ebenem Gelände, sondern zu großen Teilen in Hanglage, d.h. mehr oder weniger abschüssig. Dies bedeutet, dass für eine großflächige Bebauung eine großflächige Geländenivellierung nötig wäre.

2. Bereitstellung erneuerbarer Energie

Die Rolle, welche die Verfügbarkeit erneuerbarer Energie bei der Ansiedlung von größeren Unternehmen spielt, hat sich kürzlich in der Standortentscheidung von Intel für Magdeburg gezeigt. Auch beim IPO dürfte dies ein Knackpunkt sein, jedenfalls dann, wenn ansiedlungswillige Unternehmen auf der Versorgung mit Strom aus erneuerbaren Quellen bestehen.

Die Möglichkeit, relevante Mengen an erneuerbaren Energien aus regionalen Quellen bereit zustellen, sind aktuell nicht gegeben. Ein entsprechender Ausbau von Erzeugungskapazitäten ist in der Region nicht in Sicht.

3. Denkmalschutz

Ein Teil des IPO würde direkt in eine der zentralen Sichtachsen aus dem Barockgarten Großsedlitz hinaus in Richtung Festung Königstein gebaut werden und damit diese Sichtbeziehung stören.

Da Sichtachsen für barocke Parkanlagen eine grundlegende Bedeutung haben, würde der Barockgarten durch die Beeinträchtigung einer seiner zentralen Sichtachsen auch in seinem Gesamtwert als Denkmal in einer Kulturlandschaft beschädigt werden.

4. Ver- und Entsorgung sowie Hochwasserschutz

Die vorhandenen Kapazitäten der Leitungsnetze in den Bereichen Trinkwasser und Abwasser sind in ihrem derzeitigen Zustand nicht in der Lage, den IPO ausreichend mit Trink- bzw. Brauchwasser zu versorgen oder die anfallenden Abwassermengen aufzunehmen.

Im Bereich der Abwasserentsorgung würde das im Falle Pirna bedeuten, dass massive Investitionen ins Leitungsnetz nötig wären, um das anfallende Abwasser des IPO bis zum Klärwerk nach Dresden-Kaditz zu transportieren.

Bei Starkregenereignissen würden durch die Versiegelung weitere Probleme auftreten. In einigen angrenzenden Ortsteilen von Dohna und Pirna gibt es bereits heute bei Starkregenereignissen Probleme mit Überschwemmungen. Da die geplanten Rückhaltekapazitäten des IPO für Regenwasser im Falle zunehmender Starkregenereignisse mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht ausreichend sind, würde sich die Problemlage in den betreffenden Ortsteilen zuspitzen.

5. Arbeitskräfte

Die angedachten bis zu 3.000 Arbeitsplätze müssen natürlich mit dem entsprechenden Personal besetzt werden. Das würde in Zeiten von Fachkräftemangel und einer Arbeitslosenquote von um die 5% in der Region eine großen Herausforderung darstellen.

Es besteht die Gefahr, dass ein Teil des Personals – insbesondere jenes von kleineren Unternehmen, die weniger gute Löhne zahlen können – abgeworben würde. Einige in der Region ansässige Unternehmen haben diesbezüglich bereits die Befürchtung geäußert, bei einer Verwirklichung des geplanten Projekts aufgrund des Fachkräftemangels in Existenznot zu geraten. Aber gerade diese kleinen und mittelständigen Unternehmen aus Branchen wie dem Maschinen- und Anlagenbau, der Elektrotechnik, der Batteriefertigung oder der Metallverarbeitung haben sich in den letzten Jahren als außerordentlich resilient gegenüber einem krisenhaften Wirtschaftsumfeld erwiesen und damit die lokale Wirtschaft gestützt.

6. Kommunalfinanzen

Für die Erschließung des vorgesehenen Geländes müssten die Gemeinden bzw. der Zweckverband Kredite aufnehmen. Bisher sind eine Summe von ca. 140 Mio.€ veranschlagt, allerdings ist diese Summe in den letzten Jahren von anfänglich 60 Mio.€ schon erheblich gestiegen.

Über Art und Umfang eventueller Fördermittel seitens des Landes Sachsen gibt es aktuell weder Aussagen noch Zusagen. Beabsichtigt ist es, wenigsten einen Teil der Kosten mit dem Verkauf der Grundstücke an mögliche Investoren auszugleichen.

Außerdem gibt es eine Verbandsumlage für Verwaltungskosten und Planungskosten, die bis 2029 ca. 16 Millionen € beträgt. Gerade die Stadt Pirna hat seit Jahren Probleme mit einem strukturell unterfinanzierten Haushalt, der die Zusätzlichen Belastungen durch den IPO kaum noch verkraftet.

Bewertung

Die Problemlagen rund um den geplanten IPO sind zahlreich und vielschichtig. Die gesellschaftliche Debatte in den drei Städten Dohna, Heidenau und Pirna sollte befriedet werden. Aus diesen Gründen schlagen wir als Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor, das Projekt noch einmal grundlegend zu überdenken und nach möglichen Alternativen zu suchen.

Für uns ist der IPO auf Basis der aktuellen Planungen an diesem Standort nicht umsetzbar. Wir unterstützen dieses Vorhaben nicht. Einige der Hauptgründe sind Folgende:

Die sächsischen Regierungsparteien haben sich im Koalitionsvertrag darauf verständigt, den Flächenverbrauch spürbar zu verringern. Wenn für einen geplanten Industriepark eine Fläche von ca. 140 Hektar zu ca. 80 % versiegelt werden soll – noch dazu, wenn es sich bei dieser Fläche um hochwertige Ackerflächen und Teile eines Landschaftsschutzgebietes handelt – dann steht dieses Vorhaben den im Koalitionsvertrag getroffen Vereinbarungen entgegen.

Auch die Probleme rund um den Denkmalschutz des Barockgarten Großsedlitz, die Versorgung mit erneuerbaren Energien, die Ver- und Entsorgungslage speziell bei Wasser und Abwasser, beim Hochwasserschutz sowie die benötigten Arbeitskräfte stellen sich für uns als so schwerwiegend dar, dass wir nur dazu auffordern können, sich in Dohna, Heidenau, Pirna und den angrenzenden Gemeinden auf die Suche nach möglichen Alternativen zu machen.

Uns als Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Kreistag ist klar: Bisher ist von Seiten der drei Städte bzw. des Zweckverbandes viel Geld in die bisherige Planung investiert worden; jedoch wenn das Projekt IPO immer weiter voran getrieben und dann in ein oder zwei Jahren scheitern würde, wären die finanziellen Auswirkungen viel verheerender. Auch deshalb plädieren wir jetzt für ein Innehalten.

Alternativen zum IPO

Das Ziel von Alternativen zum IPO sollte sein, dass das Steueraufkommen, speziell das Gewerbesteueraufkommen steigt und sich damit die Finanzkraft der Kommunen verbessert. Außerdem sollte darauf hin gearbeitet werden, dass die verfügbaren Einkommen der Menschen steigen und so die Kaufkraft angehoben wird. Dies kann durch die Schaffung neuer Arbeitsplätze für Menschen erreicht werden, die bisher zur Arbeit auspendeln mussten. Zudem ist die Aufwertung bereits bestehender Arbeitsplätze, z.B. durch die Qualifikation von Arbeitnehmer:innen, ein wichtiges Element, um höhere Einkommen zu ermöglichen.

Ein zentraler Ansatz hierbei ist, die vorhandenen Wirtschaftsstrukturen in der Region zu stärken und so auszubauen, dass sie eine nachhaltige und innovationsfreudige Wirtschaftsentwicklung befördern. Die bündnisgrüne Landtagsfraktion setzt sich daher für Alternativen zum IPO ein:

1. Vorschlag

Modellregion für regionale Wirtschaftskreisläufe und sanften Tourismus

Der Tourismus als die zentrale wirtschaftliche Säule in der Sächsischen Schweiz bietet einige Möglichkeiten, mehr Wertschöpfung in der Region zu generieren.

Ausgehend von der Direktvermarktungsinitiative des sächsischen Umweltministeriums, der neuen Nachhaltigkeitsstrategie des Tourismusverbandes Sächsische Schweiz und der Plattform „Gutes von hier“ des Landschaf(f)t Zukunft e.V., gibt es gute Ansätze, um durch stärkere Regionalität in der Gastronomie, bei Handwerks- oder Dienstleistungsbetrieben mehr Wertschöpfung in der Region zu halten.

Eine Idee ist z.B. die Einführung eines erweiterten „Gutes von hier“-Siegels für Gastronomieunternehmen. Dieses zeigt an, dass in Betrieben ein bestimmter Anteil der verarbeitetem Produkte aus der Region kommt. Kombiniert werden könnte das Siegel mit einem Wettbewerb, welcher besonders kreative und innovative Konzepte bei der Verarbeitung von regionalen Lebensmitteln auszeichnet. Dadurch würde ein weiterer Anreiz zum Kauf regionaler Produkte geschaffen und Öffentlichkeit für die regionale Vermarktung erzeugt.

Die Förderung eines sanften Tourismus ist unter anderen wichtig, um eine gleichmäßigere Verteilung der Touristenströme über das Jahr und die Region zu erreichen. Dies würde auch dazu führen, dass z.B. Gastronomie- und Beherbergungsbetriebe außerhalb der Hauptsaison (Mai bis September) besser ausgelastet sind. Das hätte positive Folgen für die Beschäftigten, da z.B. die Kurzarbeit außerhalb der Saison wegfallen könnte.

Um regionale Wirtschaftskreisläufe zu etablieren und Wertschöpfung in der Region zu generieren, braucht es die Möglichkeit, sich schnell eine Übersicht über die ansässigen Unternehmen und deren Profile zu verschaffen. Nur wer weiß, was in der Region von Handwerksbetrieben und Dienstleistungsunternehmen angeboten wird, kann deren Angebote in Anspruch nehmen.

Eine weitere Idee ist, in Zusammenarbeit von Kammern und Innungen und nach dem Vorbild der Plattform „Gutes von hier“, eine Unternehmensbörse zu entwickeln. Auf der Plattform könnten sich regionale Unternehmen aus verschiedenen Branchen vorstellen. Potenzielle Kund:innen erhielten so eine schnelle Übersicht über regionale Branchen und Betriebe.

2. Vorschlag

Kommunaler Investitionsfonds für Digitalisierung, Weiterbildung und Nachhaltigkeit

Die Förderung lokaler und regionaler Wirtschaftsstrukturen sollte vorrangig durch Mittel erfolgen, die vor Ort bereitgestellt und verwaltet werden. Deshalb wäre ein kommunaler Investitionsfonds ein Ansatz, um Unternehmen und Betriebe zu unterstützen und vorhandene Wirtschaftsstrukturen auszubauen.

Ein solcher kommunaler Investitionsfonds sollte folgende Bereiche fördern:

Digitalisierung

  • Förderung sowohl bei der Anschaffung von Technik, Maschinen, Anlagen und neuer Software als auch beim Ausbau von Glasfaseranschlüssen
  • finanzielle Unterstützung bei der Erstellung von Konzepten zur Digitalisierung von Unternehmen, Produktionsabläufen, Vertrieb etc.

Weiterbildung

  • Förderung von Weiterbildungs- und Qualifizierungsangeboten im Bereich Digitalisierung für kleine Unternehmen mit wenigen Mitarbeiter:innen
  • finanzielle Unterstützung, wenn Mitarbeiter:innen durch Weiterbildungs- oder Qualifizierungsmaßnahmen längerfristig weniger arbeiten oder zusätzliches Personal gebraucht wird
  • finanzielle Unterstützung von Arbeitnehmer:innen beim Bildungsurlaub, den es in Sachsen noch nicht gibt

Nachhaltigkeit

  • Förderung von Projekten im Bereich der Energieerzeugung aus erneuerbaren Quellen zum Eigenverbrauch von Unternehmen
  • Förderung von Maßnahmen z.B. in den Bereichen Recycling, Kreislaufwirtschaft, nachhaltige Waldbewirtschaftung und ökologischer Landbau
  • Verbesserung und Ertüchtigung bestehender Standorte mit Blick auf Arbeitsschutz, Emissionsschutz und Energieeffizienz

Der Investitionsfonds sollte sich ausschließlich an Unternehmen und Betriebe richten, die bereits in der Region ansässig sind oder sich neu gründen wollen.

Grundlage für alle finanziellen Unterstützungen und Fördermaßnahmen muss eine gewisse Langfristigkeit sein. Das heißt, Unternehmen und Betriebe die unterstützt werden, sollten zusichern sich für einen gewissen Zeitraum (z.B. 10 Jahre) in der Region zu engagieren.

Finanziert werden müsste ein solcher Fonds zum einen von den Kommunen, z.B. über eine Umlage ähnlich der Kreisumlage, aber auch aus Mitteln von Land, Bund und EU.

In einem weiteren Schritt sollte der Investitionsfonds ausgebaut werden und z.B. Wagniskapital für Existenzgründungen bereitstellen. So könnten Unternehmen gefördert werden, die sich der Digitalisierung, Weiterbildung und Nachhaltigkeit verpflichten.

Ein solcher Fonds außerhalb der Strukturwandelregionen in der Lausitz und im Raum Leipzig wäre ein wichtiges Zeichen, dass das Land Sachsen sich um eine möglichst gleichmäßige Wirtschaftsentwicklung im gesamten Land kümmert.

Sinnvoll wäre es, beide Vorschläge zu kombinieren. Damit ließen sich gezielt der Tourismus, die Landwirtschaft sowie kleine und mittelständige Betriebe in den verschiedenen Branchen von Handwerk, Industrie und verarbeitendem Gewerbe nachhaltig stärken.

Als flankierende Maßnahme wäre ein Tariftreuegesetz bzw. ein entsprechendes Vergabegesetz sinnvoll. Diese würde dazu beitragen, dass die Zahl der Unternehmen mit Tarifbindung und die Zahl der Beschäftigten steigt, denen Tariflöhne gezahlt werden. Insgesamt hätte das positive Auswirkungen auf die verfügbaren Einkommen und auf die Kaufkraft der Menschen im Landkreis.

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