Änderungsantrag zu einer geschlechtergerecht formulierten Geschäftsordnung abgelehnt: Nur noch „Kreisräte“ im Kreistag?


In der Sitzung des Kreistages Sächsische Schweiz-Osterzgebirge am 22. Juni 2020 verabschiedeten die Rät*innen eine neue Geschäftsordnung für den Kreistag. Die Änderungsanträge wurden zuvor im Kreisausschuss vorberaten und in die neue Beschlussvorlage aufgenommen. Hierbei ging es der CDU-Fraktion in ihren Änderungsanträgen besonders um eine „Optimierung der Sitzungsökonomie“ und um eine Einschränkung des Rederechts aller Rät*innen. Die meisten dieser Änderungen wurden im Kreisausschuss mit der Mehrheit der anwesenden Rät*innen angenommen, aber zum Glück nicht alle.

Im Kreisausschuss abgelehnt wurde der Antrag unserer Fraktion für eine geschlechtergerechte Ansprache, denn der Vorschlag der Verwaltung sah vor, die bisherige männlich-weibliche Formulierung in eine rein männliche Ansprache umzuschreiben (vgl. „Redaktionelle Änderungen“).

Unser vollständiger Änderungsantrag ist unter diesem Link abrufbar.

Ein Auszug aus unserem Antrag zur Änderung der generisch maskulinen Ansprache:

Wir als Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen hatten wie alle anderen Fraktionen die Möglichkeit, unseren Änderungsantrag im Kreistag erneut abstimmen zu lassen. Eingebracht wurde der Antrag von unserer Kreisrätin Lydia Engelmann. Sie begann ihre Stellungnahme mit einer kleinen Geschichte, die verdeutlichen sollte, wie Sprache Bilder in Köpfen entstehen lässt. Weiterhin führte sie dazu aus:

„Wird nur die männliche Form verwandt oder geschrieben, spiegelt sich das in unseren gedanklichen Vorstellungen wider. Dies beweisen zahlreiche internationale Studien. Für Deutschland ist hier stellvertretend die Studie von Dagmar Stahlberg und Sabine Sczesny aus dem Jahr 2001 zu nennen. Die beiden Wissenschaftlerinnen konnten den Effekt, denn Sie alle gerade selbst in ihren Köpfen erlebt haben, durch wissenschaftliche Experimente nachweisen. Streichen wir also die weibliche Form aus Gesetzestexten, Geschäftsordnungen oder aus Anreden, streichen wir die weiblichen Menschen aus unseren Köpfen.“

Unser Antrag hatte zum Ziel, die Wertschätzung sowie sprachliche Repräsentanz und Gleichstellung von Frauen und Diversen in der Geschäftsordnung zu erhalten und zu verbessern. Inwiefern hierin eine Diskriminierung von Männern zu erkennen ist, wie die AfD behauptete, ist nicht nachvollziehbar und wurde von Herrn Barth nicht weiter ausgeführt. Auch das Argument, es könne der Eindruck entstehen, der Kreistag bestehe nur aus Frauen und nur diese werden angesprochen, geht ebenso an der Sache vorbei, weil jetzt der Eindruck entsteht, dass der Kreistag nur aus Männern besteht und nur diese angesprochen werden. Deutlicher wird dies unter anderem in § 17 der neuen Geschäftsordnung, wo jetzt nur von den „Verlobten“, „Ehegatten“ und „Lebenspartnern“ der ehrenamtlich Tätigen gesprochen wird, wenn es darum geht, warum Räte wegen Befangenheit von Sitzungen auszuschließen sind. Nur der Zusatz aus § 29 GO schließt eine formal-juristische Diskriminierung männlicher homosexueller Räte in der neu gefassten Geschäftsordnung aus. Im Sinne einer sich sprachlich entwickelnden Gleichstellung sollte auch Rätinnen der Tatbestand der Befangenheit zugetraut werden können. Wir als Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Kreistag SOE lassen uns jedenfalls nicht von der AfD erklären, welche Themen uns wichtig sind, wer „wirr“ ist (Norbert Mayer bei Facebook) oder mit „ideologischen Zwängen“ arbeitet. Wenn es um wirre Ideologien geht, sollte die AfD lieber vor ihrer eigenen Türe kehren.

Natürlich ist das Ansinnen der Verwaltung nachvollziehbar, mit der Neufassung der Geschäftsordnung eine „leichtere Lesbarkeit und Verständlichkeit“ zu gewährleisten. Allerdings ist es aus Sicht unserer Fraktion ungenügend, die sprachliche Gleichstellung der Geschlechter ganz am Ende der Geschäftsordnung in § 29 mit einem Satz abzuspeisen. Von der Landratsverwaltung und CDU-Fraktion wurde der Kompromisscharakter unseres Antrages nicht honoriert, hinsichtlich der Kürze der Formulierung zwischen einer binär weiblich-männlichen und einer rein männlichen Ansprache zu vermitteln. Dementsprechend wurde unser Änderungsantrag mit den Stimmen der CDU- und AfD-Fraktionen abgelehnt.

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