Wohin mit den strahlenden Überresten des einst so „preiswerten“ Atomstroms?

Wohin mit den strahlenden Überresten des einst so „preiswerten“ Atomstroms?

Der vermeintlich günstige Atomstrom, von dem Deutschland viele Jahre wirtschaftlich profitierte, entfaltet seine gesellschaftlichen Kosten erst mit der Zeit. Allerdings konnten sich die großen Energieversorger bereits mit einer Einmalzahlung aus der Verantwortung herausgekauft. In den „Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung“ (Kenfo) haben die großen Energieversorger rund 24 Milliarden Euro eingezahlt. Demgegenüber stehen langfristige Kosten der kerntechnischen Entsorgung und Endlagerung, die grob auf insgesamt rund 170 Milliarden Euro prognostiziert werden. Die Differenz soll bis 2100 durch den Fonds selbst und über Investments erwirtschaftet werden. Ob dies gelingt und wie viel der Summe zukünftige Steuerzahler*innen ausgleichen müssen, ist bisher absolut ungewiss. Das gehört leider auch zum ausgehandelten gesellschaftlichen Konsens, dass die langfristigen Kosten des einstmals günstigen Stroms zukünftigen Generationen aufgebürdet werden. Ob man diesen so ausgehandelten Kompromiss gut oder schlecht findet und welche Konsequenzen sich hieraus ergeben, darüber lässt sich sicher lange diskutieren.

Der eigentliche Bau eines Endlagers ist für die Zeit ab 2031 geplant, wobei bereits mit Verzögerungen gerechnet wird. Bis dahin gilt es, den sichersten Standort für hochradioaktiven Atommüll in Deutschland zu finden. Ab 2050 soll mit der Einlagerung des Atommülls begonnen werden. Insgesamt und wenn 2022 alle Atomkraftwerke abgeschaltet sind, müssen rund 27.000 Kubikmeter hochradioaktiven Abfalls (ca. 15.000 Tonnen bzw. 1.900 Castorbehälter) über mehrere hunderttausend bis über eine Millionen Jahre eingelagert werden, sodass ein Austritt radioaktiver Teilchen und eine Kontaminierung der Biosphäre mit hochgiftigen Stoffen verhindert wird.

Das „Gesetz zur Suche und Auswahl eines Standortes für ein Endlager für hochradioaktive Abfälle“ (Standortauswahlgesetz) trat 2017 in Kraft und legt das Verfahren und die Kriterien der Endlagersuche fest. Dieses gesetzlich verankerte Verfahren soll eine objektive, transparente und an wissenschaftlichen Kriterien orientierte Suche nach einem Endlager ermöglichen. Das bisher geplante Endlager in Gorleben stand jeher unter dem Vorbehalt, eine politische Entscheidung gewesen zu sein. Dies bedeutet, dass nicht zum Beispiel Gesteinsformationen oder etwaige Grundwasserleiter relevante Kriterien waren, sondern allein wo sich das Endlager befindet und wie viele und welche Menschen das Endlager betrifft. Zu seiner Errichtung lag das Zwischen- und geplante Endlager Gorleben in unmittelbarer Nähe der Elbe und an der Grenze zur ehemaligen DDR, in einem verhältnismäßig dünn besiedeltem Gebiet.

Derartige Faktoren wie Bevölkerungsdichte oder oberirdische Kultur- und Naturdenkmäler spielen in der zweiten Phase der Erkundung eine Rolle. In der aktuell laufenden ersten Phase wurden Teilgebiete für ein mögliches Endlager bestimmt. Hierunter fallen rund 54 Prozent der Fläche Deutschlands. Gorleben gehört wegen seiner mangelnden Eignung nicht dazu. Zudem wird jetzt ein Gesetz für die oberirdische Erkundung der zweiten Phase erarbeitet. In der dritten und letzten Phase werden die verbleibenden Standortmöglichkeiten unterirdisch erkundet. Auch für diese Phase wird es ein zusätzliches Gesetz geben. Abschließend werden alle verbleibenden Standorte verglichen und die Entscheidung für den Endlagerstandort in einem weiteren Gesetz festgehalten. Bündnis 90/Die Grünen und unsere Kreistagsfraktion unterstützen dieses Verfahren, denn nur mit einem klaren Bekenntnis zu Wissenschaftlichkeit, Transparenz und Beteiligung kann die Suche nach einem dauerhaften Lager für hochradioaktiven Atommüll zu einem halbwegs guten Ende geführt werden. Wichtig ist, dass das Such- und Beteiligungsverfahren diesen Grundsätzen gerecht wird.

Noch gibt es viele offene Fragen und niemand kann sagen, was am Ende des Suchverfahrens für eine Standortentscheidung getroffen wird. Das Verfahren selbst bietet, abseits der parlamentarischen Gesetzgebungsprozesse, besonders in der ersten Phase die Möglichkeit für die Beteiligung von Bürger*innen und Verantwortungsträger*innen. Anfang 2019 gab es hierzu einen Workshop für kommunale Gebietskörperschaften, zu dem Vertreter*innen der Kommunen und Landkreise eingeladen waren. Auch der Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge erhielt hierzu eine Einladung. Wie unsere Fraktion aus einer Anfrage an das Landratsamt erfahren hat, nahm leider niemand vom Landratsamt an dieser Veranstaltung teil. Es werden weitere Veranstaltungen folgen und wir als Fraktion werden den Landrat dazu anhalten, sich hierbei zu beteiligen. Zudem werden wir uns selbst für entsprechende Informationsveranstaltungen einsetzen, um die Bürger*innen frühzeitig in den Prozess der Endlagersuche einzubinden und um das Beteiligungsverfahren mit kritischem Blick zu begleiten.

Bildquelle:

„Castor-Aktion Hamburg“ by greenpeace-jugend is licensed under CC BY-NC-SA 2.0

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